Mähflächen / Kräuterrasen im öffentlichen Grün
Sie sind letzte Ruhestätte und Begegnungsstätte, aber auch öffentliche Grünfläche und Lebensraum für Pflanzen und Tiere: Auf vielen Friedhöfen finden sich neben Baumbeständen, die den Friedhofsbesuchern in den Sommermonaten Schatten spenden, auch sonnige Freiflächen, die je nach Standort und Pflege vielfältigen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum bieten.
In diesem Jahr werden auf dem Friedhof in Ubstadt und auf dem alten Friedhof Zeutern Teilbereiche der großen Mähflächen auf ein neues Mähregime umgestellt, mit dem Ziel, bessere Lebensbedingungen für Insekten und Kleintiere zu schaffen. So werden bei den Mäharbeiten im Laufe des Jahres jeweils Teilflächen nicht gemäht werden, auf denen Wiesenkräuter zur Blüten und zur Samenreife kommen können und Kleintiere Nahrung und Lebensraum finden. Auf Flächen, die in den letzten Jahren mit Kräuterrasensaatgut eingesät wurden, wie am anonymen Grabfeld am Friedhof Ubstadt, sieht man jetzt beispielsweise schon die runzligen Blätter des Wiesensalbeis, der in wenigen Tagen seine violett-blauen Blütenrispen entfalten und dann mit gelbem Hornklee und Margeriten den Sommer einläuten wird. Wo hingegen im Bestand bisher nur wenige Wiesenkräuter vorkommen, werden sie durch Initialpflanzung oder Nachsaat gezielt in die Flächen eingebracht. So wurden neben dem Erdlager am Friedhof in Ubstadt kürzlich Wiesenmargeriten, Flockenblumen, Habichtskraut und wilder Oregano in die Grasfläche gepflanzt. Am alten Friedhof in Zeutern kommt eine andere Technik zum Einsatz: hier wird auf vier Streifen zu je 5-10 Quadratmetern die Grasnarbe abgeschält und ‚Rollwiese‘ verlegt, die man sich wie Rollrasen mit Wiesenkräutern vorstellen kann.
Das Erscheinungsbild wird sich an den Friedhöfen insofern ändern, als in manchen Bereichen Gras und Kräuter nicht rasengleich kurz gemäht werden, sondern höher wachsen dürfen. Randbereiche an Wegen, Grabfeldern und andere häufig frequentierte Bereiche werden aber wie gewohnt niedrig gehalten, damit der Zugang zu Grab- und Gedenkstätten sowie Ruhebänken und anderen Einrichtungen uneingeschränkt möglich sein wird.
„ArtenReich-Tafeln“ erzählen vom Leben auf der Wiese
„Wann wird denn da endlich gemäht?“ Die Frage nach dem rechten Zeitpunkt zum Mähen beschäftigt die Gemüter. Klar ist, dass Flächen, die intensiv genutzt werden, stets kurz gemäht werden, wohingegen extensiv genutzte Flächen auch extensiv unterhalten werden können. Denn dann können sich Wiesenkräuter wie Salbei und Margeriten entwickeln, und es kann eine Lebensstätte für Insekten und Kleintiere entstehen. Solche Mähflächen sehen nicht ganzjährig bunt und „schön“ aus, und das hat seinen Grund: Wiesensalbei, Margerite und Co. sollen nach ihrer prachtvollen Blütezeit auch die Zeit bekommen, um Samen auszubilden, sich fortzupflanzen und selbst zu erhalten. An und in abgeblühten Stängeln und Fruchtständen wächst außerdem der Nachwuchs von Insekten, wie zahlreichen Wildbienen-, Schmetterlings- und Käfer-Arten heran.
An extensiven Mähflächen in allen 4 Ortsteilen geben seit wenigen Tagen „ArtenReich-Tafeln“ einen Einblick in die verborgenen Geheimnisse von „ArtenReich-Flächen“. Und auch die Tafeln selbst bergen ein kleines Geheimnis in sich: Bevor sie vom Leben auf der Wiese berichten durften, waren sie Sackgassen- oder Umleitungsschilder. Geborgen aus der Altschilder-Sammlung am Bauhof wurden sie „upcycelt“, also gereinigt, aufgearbeitet und mit neuem Foliendruck versehen. Die Gemeinde Ubstadt-Weiher dankt Frau Constanze Spranger vom Büro contactgrafik in Bruchsal für die ressourcenschonende Idee und das ansprechende Layout, sowie der Fa. Heinzmann-Druck in Forst für die professionelle Produktion!
„ArtenReich“ ist eine Aktion der Gemeinde Ubstadt-Weiher für mehr Artenvielfalt auf öffentlichen und privaten Grünflächen sowie in der freien Landschaft.
„Rollwiesenversuch“ am alten Friedhof in Zeutern
Artenreiche Kräuterrasen und Wiesen sind ein einfacher und effektiver Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der Artenvielfalt. Auch auf öffentlichen Grünflächen kommen sie zunehmend zum Einsatz, und in den Verwaltungen und Bauhöfen sind sowohl für die Anlage als auch für die Unterhaltung solcher Mähflächen neue Denkansätze und Techniken gefragt. Eine besondere Herausforderung birgt die Umwandlung bislang strukturarmer Rasen- in artenreiche Wiesenflächen: Während eine Nachsaat mit Kräutersamen nur bedingt erfolgversprechend ist, können Wiesenkräuter in dichte Grasbestände durch Initialpflanzungen eingebracht werden – oder durch „Rollwiese“!
Die Anregung zu einem „Rollwiesenversuch“ kam von der Fa. Merkle & Partner, die solche vorgefertigten Bio-Blumenwiesen mit regionalem Saatgut künftig in Kommunen als Biodiversitätsprodukt anbieten möchte. Die Wiesenrollen für den Versuch wurden von Merkle & Partner gestiftet, „weil wir ausprobieren wollen, auf welchen kommunalen Flächen ‚Rollwiesen‘ praktisch sinnvoll eingesetzt werden können“, so Dr. Siegbert Merkle. Der Versuch soll unter anderem auf dem alten Friedhof in Zeutern starten.
Die Verlegung ging schon mal einfach: „Genau wie Rollrasen – kein Problem!“, so das einhellige Urteil aus dem Gartenbautrupp des Bauhofs, und „wir sind gespannt, wie die ‚Rollwiese‘ anwächst, wie sich die Fläche entwickelt, wenn weniger oft gemäht wird, und wie die Leute darauf reagieren!“ Die erste Passantin, die sich das Vorhaben erklären lässt, ist überzeugt: „Das ist doch richtig, dass auch auf dem Friedhof was für die Bienen gemacht wird!“
Wo in den vergangenen Jahren Gräber abgeräumt wurden haben die Gärtner vom Bauhof Kräuterrasen-Saatgut eingesät. In den ersten Jahren fallen dort besonders die blutroten Blüten des kurzlebigen Inkarnatklees auf, aber auch die ausdauernden Arten wie Margeriten, Wiesensalbei und Karthäusernelken sind schon vereinzelt zu sehen. In den Bereichen, in denen bislang nur Gräser wuchsen, wurde jetzt die ‚Rollwiese‘ ausgelegt, und schon in wenigen Wochen ist dort mit blühenden Schafgarben und wildem Oregano zu rechnen.
„Wenn sich die ‚Rollwiese‘ auf dem alten Friedhof bewährt, dann werden wir sie in Ubstadt-Weiher sicher auch an anderer Stelle einsetzen!“, teilt das Bau- und Umweltamt mit, und: „‘Rollwiesen‘ eignen sich auch gut für die Verwendung in Privatgärten!“ Insgesamt gibt es in Deutschland 17 Millionen Privat- und Schrebergärten und somit ein riesiges Potential für den Artenschutz. Für die biologische Vielfalt können sich Gartenbesitzer*innen engagieren, indem sie beispielsweise kleine wilde Ecken zulassen oder die Gärten mit heimischen Blühpflanzen naturnäher gestalten, in denen sich Schmetterlinge, Vögel und weitere Nützlinge wohlfühlen.
Der „Rollrasenversuch“ ist ein Projekt im Rahmen der Aktion „ArtenReich“, womit in Ubstadt-Weiher für mehr Artenvielfalt auf öffentlichen und privaten Grünflächen sowie in der freien Landschaft geworben wird.
Alpine Mähtechnik in den Ubstadter Silzenwiesen
Alpine Mähtechnik in den Ubstadter Silzenwiesen
Wer in diesen Tagen am Hauptdamm des HRB Silzenwiesen in Ubstadt entlang läuft, wird sich vielleicht über die ‚Muster‘ wundern, die an der Böschung in den Gras-Kraut-Bestand hineingemäht wurden.
Im Einsatz war dort ein Ein-Achs-Mäher mit riesigen Metallspikes an den Rädern, womit der schwere Mäher auch an der feuchten, rutschigen Böschung sicher in der Spur gehalten werden konnte. Für Bergbauern im Alpenvorlang ist das keine ganz ungewöhnliche Gerätschaft - am Rande der Rheinebene wirkte es ganz schön exotisch!
Was soll das?
Die (noch) gängige Praxis für öffentliche Flächen, die regelmäßig gemäht werden müssen, ist die Mulchmahd: das geht schnell, ist deshalb kostengünstig und das Mulchgut bleibt einfach kleingehäckselt auf der Fläche und verrottet. Die Nachteile werden auf den zweiten Blick sichtbar: dadurch, dass nach jedem Mulchgang Mulchgut auf der Fläche mineralisiert wird, reichern sich Nährstoffe an. Diese begünstigen konkurrenzstarke Gräser und wenige Stickstoffliebende Kräuter wie den Löwenzahn. Die Verlierer dieser Mähtechnik sind die vielfältigen Wiesenkräuter wie Margeriten und Flockenblumen, aber auch zahlreiche Insekten und Kleintiere, die bei der Mulchmahd zu Tode kommen.
Aus ökologischer Sicht gibt es bessere Techniken:
Balkenmäher schonen Insekten und Kleintiere, weil diese vor dem Mähbalken flüchten können und verschont werden. Das unzerkleinerte Mähgut kann von der Fläche geräumt werden, wodurch Nährstoffe entzogen und günstige Bedingungen für eine vielfältige Pflanzengesellschaft geschaffen werden. In dieser finden wiederum vielfältige Insekten und Kleintiere Nahrung und Lebensraum.
Während die Maschinen für die Gras- und Heuernte in den zurückliegenden Jahren vor allem für Großflächen optimiert wurden, gibt es inzwischen Schwader, Ballenpressen und ähnliche Anbaugeräte auch für den Ein-Achser, womit auch kleine Flächen oder Böschungen maschinell abgeräumt werden können.
„Wir müssen noch ausprobieren und kalkulieren – und gleichzeitig müssen wir sofort handeln!“
Einer der dafür bekannt ist, dass er die Zeichen der Zeit früh erkennt, ist Dr. Siegbert Merkle. Der gebürtige Zeuterner betreibt mit seiner Tochter Mona und deren Freund Jannik eine Firma, die kein geringeres Ziel hat, als die Mulchmahd in den Kommunen durch ökologische Mahdkonzepte abzulösen. Mit Balkenmäher und Ballenpresse haben die Biolog*innen bereits im vergangenen Jahr erste Versuche in Zeutern und anderen Gemarkungen im Landkreis Karlsruhe unternommen. „Im extrem trocken-heißen Sommer 2020 war das Gras, das wir morgens gemäht haben, abends so trocken, dass es direkt und ohne zu wenden gepresst werden konnte.“ erzählt Siegbert Merkle, und: „Pferde- und Kleintierhalter haben uns die kleinen, handlichen Ballen dankbar abgenommen.“
Aber was, wenn das Wetter es nicht so gut meint? Wie wird dann das Gras getrocknet und geschwadet, in großen Mengen geborgen und verwertet? Für die Erarbeitung praktikabler Lösungen ist der Zeuterner Landwirt Georg Staudt seit neuestem mit im Team.
Streifenmahd ist das Gebot der Stunde!
„Genauso wichtig wie die schonende Mähtechnik ist es, nicht zu großflächig zu mähen!“ erläutert Merkle, „30% des Aufwuchses sollen bei jeder Mahd stehen bleiben, damit Pflanzen zur Samenreife kommen und sich Insekten und Kleintiere verstecken und entwickeln können.“ Und damit kommen wir den ‚Mustern‘ in den Silzenwiesen auf die Spur: „Wir haben Blocks, V-förmige und A-förmige Flächen und Streifen gemäht, um auszuprobieren, wie die Maschinen an der Böschung am besten eingesetzt werden können“ erklärt Jannik, und Siegbert Merkle ergänzt: „Und wie es am schnellsten geht. Denn auch wir müssen wirtschaftlich denken!“
Ökologie und Ökonomie darf kein Widerspruch sein!
Jede Leistung hat ihren Preis, und der sollte ‚angemessen‘ sein. Genau wie im Handel und in anderen Dienstleistungsbereichen, so darf auch die Landschaftspflege nicht billig sein müssen um jeden Preis, aber eben auch wirtschaftlich vertretbar und zugleich ökologisch wertvoll. „Daran arbeiten wir“, so Merkle, „wir müssen rausfinden, wie das geht – wie man die Flächen in der Landschaft praktisch und wirtschaftlich unterhalten und als Lebensräume erhalten kann!“